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ARD Sendung vom 08.09.2004 -- W wie Wissen Rettung fürs Gehör Grund für Schwerhörigkeit und Taubheit ist oft ein Absterben der feinsten Haarzellen im Innenohr. Bisher dachte man, dass einmal zerstörte Haarzellen sich nie wieder regenerieren können. Doch nun ist Hoffnung und Heilung in Sicht. Einer amerikanischen Firma ist es gelungen, bei Versuchstieren neue Haarzellen im Innenohr wachsen zu lassen. Harry Potter schaut Tilmann am liebsten. Auch wenn er nicht viel verstehen kann. Denn Tilmann ist fast taub. Schuld daran: ein Antibiotikum, sagen seine Eltern. Das bekam er als Baby wegen einer schweren Infektion. Die verschwand, aber dafür wurde Tilmann schwerhörig. "Das Schlimmste für uns ist, dass wir nicht aufgeklärt worden sind, welche Gefahren vom Gentamicin ausgehen. Obwohl die Hersteller auf die Gefahr doch hinweisen. Und die Ärzte auch Bescheid wissen. Niemand hat etwas gesagt. Und ich denke, es weiß kaum jemand", so Regina und Werner Stenke, Tilmanns Eltern. Seit einer Lungenentzündung ist auch Ilse Grinz so gut wie taub. Die verordneten Antibiotika halfen zwar gegen die Entzündung, zerstörten aber gleichzeitig ihr Gehör. Telefonieren kann sie heute nur noch mit Hilfe einer Schriftdolmetscherin. Auch Ilse Grinz wurde von den Ärzten nicht auf die Nebenwirkungen hingewiesen: "Ich hab dann natürlich versucht herauszufinden, was ist da jetzt passiert. Warum bist du an Antibiotika ertaubt? Das kann doch nicht sein." Schädigungen des Gehörs durch Medikamente Tatsächlich steht in Beipackzetteln von Antibiotika wie Gentamicin unter "Nebenwirkungen": Schädigungen des Gehörs sind möglich. Doch kaum ein Patient liest das Kleingedruckte, bringt seine Schwerhörigkeit mit Antibiotika in Zusammenhang. Das Rätselraten über das immer stiller werdende Leben endet dann beim Ohrenarzt. Dr. Timo Stoever von der Medizinischen Hochschule Hannover kennt das Problem: "In der Tat ist insbesondere für die Gruppe der Aminoglykoside Antibiotika eine potentiell schädigende Wirkung für das Innenohr bekannt." Und es gibt noch mehr Medikamente, die aufs Ohr schlagen können. Die Liste ist lang. Sie reicht von Antibiotika über Entwässerungsmedikamente, Anti-Malaria-Mittel bis hin zu Kopfschmerztabletten. Sie alle haben ihre positive Wirkung – doch schwerwiegende Nebenwirkungen sind eben nicht auszuschließen. Wie die Zerstörung im Innenohr. Genauer: in der Cochlea, der Hörschnecke. Hier sitzen die Haarzellen. Von ihnen gehen Nervenfasern aus, die sich zum Hörnerv vereinigen und ins Gehirn führen. Wirkt nun ein Medikament ototoxisch, werden die Haarzellen vergiftet. Sie sterben ab – für immer. Den Hörnerv am Leben erhalten Wissenschaftler an der Medizinischen Hochschule Hannover arbeiten daran, zumindest den Hörnerv am Leben zu erhalten. Gibt es noch übriggebliebene Haarzellen oder wird die Hörschnecke durch ein Implantat ersetzt, geht nichts ohne den Hörnerv. Bei Tieren ist es den Forschern jetzt erstmals gelungen, Zellkörper der Hörnerven wieder zum Wachsen zu bringen. Mit Hilfe von Nervenwachstumsfaktoren. Ein Ergebnis, das den Wissenschaftlern Hoffnung macht. Dazu Dr. Timo Stoever: "Die Nervenwachstumsfaktoren führen dazu, dass die Nervenzellen aussprossen und auf der Suche sind nach Haarzellen. Wenn also in Zukunft die Möglichkeit besteht, Haarzellen wieder entstehen zu lassen, ist dies die Grundlage, um eine funktionelle Ankoppelung der Hörnerven an die Haarzelle zu erreichen." Die Pille gegen Schwerhörigkeit Die Haarzellen selbst wieder zum Wachsen zu bringen – das ist Wissenschaftlern in Seattle jetzt gelungen. Mit 16.000 bis 23.000 Haarzellen wird der Mensch geboren. Lange Zeit haben Forscher den Grund gesucht, warum Haarzellen nicht nachwachsen. Jetzt haben die Experten in Seattle in der Hörschnecke ein Protein entdeckt, das dafür verantwortlich ist. Jonathan Kil, Soundpharmaceuticals, erklärt: "Wir haben herausgefunden, dass ein Protein mit dem Namen P 27 lebenslang die Haarzellen daran hindert, weiter zu wachsen und sich zu vermehren. Stoppen wir nun die Produktion dieses Proteins, regen wir die Zellen zum Wachstum an." Dieser Durchbruch ist jetzt bei Versuchstieren gelungen: Zwischen den zerstörten Zellen entsteht neues Leben. Hoffnung – nicht nur für jene, die durch Medikamente ertaubt sind, sondern auch für die vielen Menschen, die durch Lärm schwerhörig wurden. Und das ist die Mehrzahl. Lärm über 85 Dezibel macht taub. Und 90 Dezibel sind schnell erreicht. Mechanische Zerstörung von Haarzellen durch Schalldruck Ein ohrenbetäubender, zerstörender Lärm. Je höher die Lautstärke, desto größer der Druck der Schallwellen. Die Haarzellen werden so stark gepresst, dass sie unter der Membran abbrechen und schließlich absterben. Bei den Hörnerven kommt nichts mehr an. Zuerst verschwinden die hohen Frequenzen, dann die tiefen. Das ganze passiert schleichend. Bis zur Taubheit. Im Hörtest wird der Schaden schnell deutlich. Doch bald soll es etwas zur Vorbeugung geben: die "Pille gegen Hörschäden", die ebenfalls von den Wissenschaftlern in Seattle entwickelt wurde. Tierversuche waren äußerst erfolgreich. Hier ein durch Lärm zerstörtes Innenohr: Keine Haarzelle hat überlebt. Und hier Haarzellen, die durch ein bestimmtes Enzym geschützt wurden. Jonathan Kil dazu: "SPI 1005 ist eine Pille, die man zweimal täglich nimmt. Sie wirkt antioxidativ. So kann die Haarzelle überleben: Sowohl die Zerstörung durch Lärm als auch die schädlichen Nebenwirkungen von Medikamenten." Am Virginia Mason Krankenhaus in Seattle laufen jetzt die Vorbereitungen für einen klinischen Versuch. Die Pille gegen Schwerhörigkeit für Menschen. Der medizinische Leiter, Dr. Douglas D. Backous, ist zuversichtlich: "Dieses Medikament verspricht einen Schutz gegen Schwerhörigkeit. In zwei bis drei Jahren werden wir eine Pille haben, die das Gehör vor irreparablen Hörschäden, Schwerhörigkeit und Tinnitus bewahrt. Das ist großartig." Für Tilmann kommt die Pille zur Vorbeugung zu spät. Aber vielleicht wird sie eines Tages seine Haarzellen im Ohr wieder wachsen lassen. (Autor: Dorina Rechter)
Sound Pharmaceuticals Inc.
Virginia Mason Medical Center
Deutscher Schwerhörigen-Bund
Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
Hörzentrum Hannover
Deutscher Schwerhörigenbund e.V.
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